„Angst haben wir alle. Der Unterschied liegt in der Frage wovor.“
Frank Thiess
Ich meine hier weniger die Angsterkrankungen wie Panikstörungen, Phobien oder Traumata. Es gibt viele Ängste, die uns im normalen Alltagsleben einschränken: Angst vor Entscheidungen, Prüfungen, Beziehungen, die natürliche Angst vor scheinbar unlösbaren Konflikten, die Angst vor familiären oder ehelichen Auseinandersetzungen, vor Trennung oder Scheidung, die Angst krank zu werden oder den Job zu verlieren, die Angst vor gesellschaftlicher Isolation, vor Armut, Einsamkeit oder existentieller Not….diese Liste ließe sich endlos fortsetzen und zeigt, dass die Angst ein vertrautes und urmenschliches Gefühl ist. Das Bewusstsein dafür fehlt uns jedoch oft, weil uns in Medien und in der Werbung immer nur starke und strahlende Menschen entgegenblicken, die anscheinend souverän und angstfrei durchs Leben gehen.
Dabei ist Angst eigentlich eine völlig normale Reaktion, das uns hilft, Gefahren zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren. Viele Ängste sind jedoch irrational und mit bestimmten Vorstellungen verbunden, die aber in der Wirklichkeit gar nicht existieren. Somit ist eine Angst auch ein Chance zur Weiterentwicklung , denn Ängste melden sich immer, wenn wir in Situationen kommen, denen wir nicht oder noch nicht gewachsen sind. Ängste durchzustehen und auszuhalten ist also ein wichtiger Entwicklungsschritt – wir müssen nur lernen zu unterscheiden, wann die Angst vor realer Gefahr oder einem zu großen Risiko bewahren will oder wann sie übertrieben ist und auf nicht mehr gültigen Erfahrungen beruht.
Viele Ängste sind in einem labilen Selbstwertgefühl begründet und kommen aus einem kindlichen Teil in uns. Vielleicht sind wir als Kind verunsichert worden durch sehr strenge und überkritische oder auch überängstliche Eltern. In Momenten der Angst sind wir wieder das verletzte Kind und halten somit die Angst für real, obwohl sie es eigentlich gar nicht ist. Hier werden alte Muster immer wieder aktiviert.
An dieser Stelle ist es wichtig anzusetzen und alten, tief sitzenden und einschränkenden Glaubenssätzen auf die Spur zu kommen. Wenn wir so zum aufmerksamen Beobachter unserer Ängste werden, können wir erkennen, dass das Programm, das da gerade in uns abläuft, falsch und überholt ist. Dann ist es möglich umzuschalten und so einen Schritt weiter in der eigenen Entwicklung zu gehen. Denn die Lösung des Problems liegt nicht in seiner Vermeidung, sondern im Handeln, im Anschauen der Angst. Nur so verändert sich das innere Erleben und die Angst kann sich verringern oder ganz auflösen.
Von diesem Blickwinkel aus gesehen ist die Angst ein Einladung: zu wachsen, aber auch zu lernen, die eigenen Grenzen zu akzeptieren und langsam – Schritt für Schritt – zu erweitern.
„Von allen Sorgen, die ich mir machte,
sind die meisten nicht eingetroffen. „
Sven Hedin